Bericht aus Illustrierte Zeitung
Nr.2884 vom 6. Oktober 1898, Seite 459
Versuche mit einem neuen Registrirdrachen.

Die günstigen Ergebnisse hoher Drachenaufstiege für meteorologische Zwecke, die durch den Director des Blue Hill-Observatoriums in Boston A. L. Rotch, in letzter Zeit auch durch den Director des Meteorologischen Flugtechnischen Vereins, dem k.u.k. technischen Assistenten Hugo L. Nikel, mit seinem neuartigen Drachen (Fig. 1) vorgenommen, der nach dem bewährten Princip der Flächentheilung construirt und mit einem Horizontal- und Verticalsteuer ausgerüstet ist. Die Schnur wurde am Drachen derart befestigt, daß sich derselbe stets allein unter dem günstigsten Steigungswinkel einstellen konnte. Die Versuche mit dem 8Mtr. langen, 4 Mtr. breiten Drachen, der eine Fläche von 12 Quadratmtr. und ein Gewicht von 71/2 Kilogr. besitzt, wurden im August d. J. in Krzeszowice bei Krakau, wo Nikel auf Urlaub weilte, vorgenommen und hatten einen uberraschenden Erfolg. Schon der erste Aufstieg gelang Vollständig, obwol nur ein schwacher Wind von kaum 21/2 Mtr. in der Secunde wehte. Der Drache erhob sich rauschend (Fig. 2) und konnte auf die ganze Schnurlänge von 340 Mtr. hochgelassen werden, was durch Verwendung einer Haspel mit Bandbremse selbstthätig geschah. Bei einem Wind von 6 Mtr. gemachte Belastungsproben ergaben ungefähr 30 Kilogr., was vollständig ausreicht, um selbst schwere Instrumente zu tragen. Der Drache bewegte sich mit großer Ruhe und Stabilität; nur ein sanftes Laviren deutete auf den Wechsel der Windrichtung. Windstöße machten sich nur in einer Höhe von 60 bis 100 Mtr. dadurch bemerkbar, daß der Drache beim Anschwellen des Windes Mäßig stieg, beim nachlassen sich langsam senkte. Die Neuanwendung einer am Steuerhals befestigten, 10 Mtr. langen, frei herabhängenden Landungsleine, wie sie bei Ballons gebräuchlich ist, hat sich vortrefflich bewährt. Versuche mit auf der Landungsleine befestigten Dynamitpatronen, die mit in die Höhe genommen und erst oben mit donnerähnlichem Rollen zur Explosion gebracht wurden, haben gezeigt, daß sich der Drache auch zum Wetterschießen verwenden ließe.

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